Essays zur Fotografie
Lee Miller als Kriegsfotografin
Am 19. September 2024 kam der Film „Die Fotografin“ aus dem Jahr 2023 in die deutschen Kinos. Regie führte Ellen Kuras. Die Rolle der Fotografin spielt Kate Winslet. Der Film zeigt Lee Miller als Kriegsfotografin im Zweiten Weltkrieg und ist für mich der Anlass, über Lee Miller und ihre Zeit als Kriegsreporterin in Deutschland zu schreiben.
Reinhard Mokros
Im Film werden berühmte Fotosituationen nachgestellt und durch Blicke der Kamera auf die dabei entstandenen Fotos ergänzt. Rahmenhandlung ist ein Interview, das Lee Miller (Kate Winslet) Jahrzehnte nach dem Krieg einem jungen Journalisten namens Tony (Josh O’Connor) gibt (Zykla 2024). Am Ende des Films stellt sich heraus, dass „Tony“, der versucht, Lee Miller zu Aussagen über ihre Erlebnisse als Kriegsfotografin zu bewegen der Sohn der Fotografin, Antony Penrose, ist. Tatsächlich konnte er jedoch nie mit seiner Mutter über deren Erlebnisse als Kriegsfotografin sprechen, weil Lee Miller die Negative und Fotos in Kisten und Koffer verpackt und sie niemandem gezeigt hatte (Penrose 2023: 281).
„In der Rahmenhandlung (…) erleben wir eine verbitterte, dem Alkohol zugeneigte, früh gealterte Frau. Eine, auf die das Wort von Friedrich Nietzsche passt: Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein. Wer mitleidet, kann zerbrechen.“ (Hinrichsen 2024). Das sehr schwierige Verhältnis der Fotografin zu ihrem eigenen Sohn wird im Film nur angedeutet; und „dass sie ihr Archiv ab den 1950er Jahren unter Verschluss hielt und die traumatischen Kriegsbilder auf den Dachboden ihres Hauses verdrängte, erfährt man am Ende über eine Texttafel“ (Mihm 2024: 63).
Der Film „Die Fotografin“ zeigt nur einen Ausschnitt aus dem Leben von Lee Miller, und zwar ihre Zeit als Kriegsfotografin. Ihre Kindheit und Jugend, die Zeit als Fotomodell und als Modefotografin sowie als Künstlerin im Kreis der Pariser Surrealisten werden ebenso wenig dargestellt, wie die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Darüber, welche Traumata Lee Miller erlebt hat und welche Folgen dies hatte, macht der Film allenfalls Andeutungen. So ist die Abhängigkeit der Fotografin von Alkohol und Medikamenten in manchen Szenen erkennbar und anderes, wie die Vergewaltigung durch einen Bekannten der Familie, wird nur im Abspann erwähnt. Weiterlesen...